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5. November 2024
 

Neue Spielregeln für junge Technologieunternehmen


Ein Plädoyer für fokussiertes Wachstum ohne externe Kapitalabhängigkeit

 

Die alte Welt: „Raise fast, grow faster“

Über Jahre hinweg galt Venture Capital als Königsweg für technologiegetriebene Unternehmen:

Früh Kapital aufnehmen, schnell skalieren und mit jeder Runde den Unternehmenswert steigern – idealerweise bis hin zum IPO. Wer diesen Weg nicht ging, galt schnell als zu wenig ambitioniert.

Doch das VC-Spiel hat sich verändert. Die Märkte sind nun deutlich selektiver, Investoren vorsichtiger, Bewertungen unter Druck. Gleichzeitig erleben wir die Rückkehr eines vermeintlich alten Prinzips in neuem Gewand: Bootstrapping.

Denn: Die meisten Startups und jungen Technologieunternehmen sind nicht geeignet für Risikokapital. Per Definition ist dieses auf massive Ausreißer ausgerichtet.

Venture Capital funktioniert nach einem klaren Prinzip: Nur wenige Portfoliounternehmen tragen den Fonds. Um die geforderte IRR von 20–30% p.a. zu erreichen, müssen VCs darauf setzen, dass einzelne Investments mindestens einen 10x-Return liefern – also z.B. €1m Kapitaleinsatz in €10m Exit-Erlös verwandeln.

Um das zu verstehen, lohnt ein Blick in die Mechanik eines typischen VC-Fonds:

  • Ein VC investiert in ein Portfolio von z.  20–30 Startups.
  • Von diesen schaffen es statistisch gesehen 50% nie über die Seed- oder Series A-Phase hinaus – sie scheitern oder stagnieren.
  • 10–20% liefern solide Ergebnisse (z.B. 2-3x), aber keine spektakulären Exits.
  • Und nur ein oder zwei Unternehmen pro Fonds generieren echte „Fund Returner“ – also 10x, 100x oder mehr.

Trotz seiner Dominanz war das klassische VC-Modell also nie für das Gros der Gründer konzipiert. Es setzt voraus, dass ein Unternehmen nicht nur ein gutes Produkt entwickelt, sondern in kürzester Zeit extrem skalieren kann – oft auf Kosten von Nachhaltigkeit, Rentabilität und Produktnähe. Was oft in Zeiten billigen Kapitals vergessen wurde: Venture Capital ist ein Finanzinstrument mit klaren Renditeanforderungen – und diese Anforderungen prägen das gesamte Spielfeld.

 

Die Kehrseite von Venture Capital: Was Gründer oft unterschätzen

 

Einer der kritischsten Punkte sind Liquidation Preferences: Investoren sichern sich vertraglich ab, dass sie beim Exit zuerst bedient werden – häufig mit einem Vielfachen ihres ursprünglichen Investments. In Szenarien mit moderaten Verkaufspreisen bedeutet das, dass Gründer trotz Unternehmensverkaufs leer ausgehen können (insbesondere im Falle einer „Down Round“, also Finanzierungsrunde bei gesunkener Bewertung).

Zudem ist VC-Finanzierung häufig mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden: Investor-Reporting, Gremienstrukturen, Board-Meetings und Compliance-Themen binden nicht nur wertvolle Zeit und Ressourcen, sondern erzeugen oft keinen echten Mehrwert – im Gegenteil: Sie können den Fokus vom operativen Geschäft ablenken und Entscheidungsprozesse verlangsamen.

Auch die operative Autonomie leidet: Viele Gründer verlieren durch Stimmrechtsregelungen, Vetorechte und Zustimmungspflichten bei Schlüsselentscheidungen den Einfluss auf strategische Weichenstellungen.

Ein weiterer Aspekt ist der Exit-Druck: VC-Fonds haben typischerweise eine Laufzeit von 8–10 Jahren – innerhalb dieser Zeit muss ein Exit erfolgen. Das bedeutet: Auch wenn ein Unternehmen langfristig stabil wachsen könnte, wird es oft zu einem Exit gedrängt, der nicht dem Optimum für das Gründerteam entspricht.

Nicht zuletzt verändert sich auch die Unternehmenskultur: Der Fokus verschiebt sich von Kundennutzen zu Investoren-Storytelling, von Produktqualität zu KPI-Optimierung. Wer VC aufnimmt, steigt in ein Spiel mit festen Regeln ein – das nicht zu jedem unternehmerischen Selbstverständnis bzw. jeder unternehmerischen Persönlichkeit passt.


Die neue Realität für Tech-Gründer

Die Tech-Welt ist im Wandel. Wo früher schnelles Fundraising und aggressive Skalierung gefeiert wurden, rückt heute Effizienz, Kapitaldisziplin und Produktnähe in den Vordergrund.

Künstliche Intelligenz ändert dabei die Spielregeln nachhaltig:

Nie war es so einfach, mit kleinen Teams und limitiertem Kapital technologisch anspruchsvolle Produkte zu bauen.

Was daraus entsteht, ist ein neues, oder vielmehr wiederbelebtes, Paradigma des Tech Company Buildings („Company Building 3.0“) – jenseits der klassischen VC-Logik.

 

KI + Cashflow = Wachstum nach eigenen Regeln

Company Building 3.0, vor allem im Software-Segment, folgt einer anderen Logik:

  • Statt 10x-VC-Zielen geht es um kapitaldiszipliniertes Wachstum mit starker Marge
  • Kleine, gezielte Finanzierungsrunden (z.  €500k–€1m) ermöglichen Produktentwicklung & Markteintritt
  • KI-Tools übernehmen heute Funktionen, für die früher ganze Abteilungen notwendig waren
  • Der Fokus liegt auf Unit Economics, Break-even, Cashflow-Finanzierung des Wachstums

So entsteht ein robusteres, unabhängigeres Unternehmen – das zu einem späteren Zeitpunkt alleFinanzierungsoptionen offen hat: Growth Equity, M&A, oder eben doch VC – aber aus einer Position der Stärke.

 

Vorteile des Bootstrapping-Ansatzes für Tech-Unternehmen

Gerade im B2B-Tech-Umfeld eröffnet Bootstrapping die Möglichkeit, ein Unternehmen von Anfang an effizient, marktgetrieben und unabhängig aufzubauen. Es geht nicht um Kapitalverzicht um jeden Preis – sondern um bewusste Priorisierung von Kundenwert, Kontrolle und Substanz.

Kapitaldisziplin & Fokus

Ohne große VC-Budgets muss jeder Euro Wirkung zeigen. Das schafft schlanke, effiziente Strukturen und zwingt Teams dazu, echte Kundenbedürfnisse zu adressieren – nicht hypothetische Wachstumsfantasien.

Stärkeres Bewertungsfundament

Wer früh auf Umsatz, Marge und Cashflow achtet, baut ein nachhaltiges Bewertungsprofil auf – und wird bei Exits oder späteren Finanzierungsrunden als wirtschaftlich belastbares Unternehmen wahrgenommen.

Volle Kontrolle & strategische Optionalität

Ohne Abhängigkeit von Investoren behalten Gründer die Entscheidungsfreiheit – ob, wann und wie sie Kapital aufnehmen oder verkaufen. Exits sind eine Option, kein Zwang.

 

Auch Bootstrapping hat Limits – welche Unternehmen tatsächlich von VC profitieren

VC-Finanzierung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn das Geschäftsmodell auf schnelle Skalierung angewiesenist, etwa weil Netzwerkeffekte nur durch ein hohes Nutzerwachstum entstehen – wie bei Marktplätzen oder Plattformmodellen.

Auch in klassischen „Winner-takes-all“-Märkten, in denen der schnellste Anbieter den Markt dominiert und spät gestartete Wettbewerber kaum noch Chancen haben, kann ein aggressiver Kapitalhebel entscheidend sein.

Ebenso gilt das für Unternehmen mit kapitalintensiver Technologieentwicklung, etwa im Bereich neuer DeepTech oder Biotechnologie, wo lange Entwicklungszyklen hohe Vorabinvestitionen erfordern.

Schließlich ist VC oft notwendig, wenn eine globale Go-to-Market-Strategie in kurzer Zeit umgesetzt werden muss, etwa bei Unternehmungen mit internationalem First-Mover-Vorteil.

In diesen Fällen kann VC nicht nur Wachstum ermöglichen, sondern sogar der einzige Weg sein, um überhaupt relevant zu werden. 

Hier eine vereinfachte Entscheidungshilfe:

VC vs. Bootstrappping – eine einfache Entscheidungshilfe

Freiheitsgrade statt Traumschlösser

Bootstrapping bedeutet auch nicht, für immer auf Kapital zu verzichten. Vielmehr geht es darum, Finanzierungsentscheidungen strategisch zu treffen – und nicht aus akuter Not. Kapital wird dann aufgenommen, wenn es den größten Hebel bietet, nicht weil es traditionell „dazugehört“.

Erfolgreiche Bootstrapping-Strategien im Sinne des „Company Building 3.0“ umfassen etwa die Finanzierung über den gezielten Einsatz nicht-verwässernder Mittel wie Förderprogramme, Factoring oder Venture Debt, sowie späte VC-Runden oder Private Equity - Beteiligungen, wenn Produkt-Markt-Fit und belastbarer Umsatz bereits nachgewiesen sind. Auch eigene Buy & Build- bzw. M&A-Strategien sind denkbar: Zuerst profitabel wachsen, dann gezielt passende Unternehmen zukaufen.

Dieser Ansatz ist besonders attraktiv für Gründerinnen und Gründer, die ein tiefes Branchenverständnis mitbringen,technologiebasierte Produkte mit hoher Skalierbarkeit entwickeln – etwa SaaS-Lösungen – und langfristige Unternehmenswerte aufbauen wollen, statt auf kurzfristige Hypes oder einen schnellen Exit zu setzen. Wer sich auf Kunden statt Investoren fokussiert und seine unternehmerische Freiheit bewahren möchte, findet im Company Building 3.0 ein belastbares, modernes Modell für nachhaltigen Erfolg.

Die Zeit des „VC als Selbstzweck“ ist vorbei. Technologieunternehmen können heute fokussiert, kapitaldiszipliniert und optionalitätsgetrieben aufgebaut werden – nicht als romantische Idee, sondern als robuste Alternative zum klassischen Wachstumsdogma.

Diese neue Denkweise spiegelt sich zunehmend auch im M&A-Markt wider: Käufer bewerten Substanz, Cashflow und strategische Optionalität heute höher als reines Wachstum – wovon insbesondere Gründer profitieren, die früh auf nachhaltige Strukturen und unternehmerische Kontrolle gesetzt haben.

 

 

Wir unterstützen vollumfänglich bei M&A-Transaktionen und Kapitalisierungsfragen. Kontaktieren Sie uns gerne.

Simon Seibold
Geschäftsführer

Email: office@sigubald.com
Telefon: + 49 (0) 89 2152 5244

 

 

 

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